Orte: Wien; Brno (Brünn) in Tschechien (Tschechoslowakei) u.a. Quellentypen: Korrespondenz (Familienkorrespondenz, Freundinnenkorrespondenz, amtliche Korrespondenz): 236 Schreiben; ca. 100 amtliche und geschäftliche Dokumente; 12 Fotografien; Weiteres: Unterlagen zum Erhalt von Care-Paketen, Lebensmittelmarken/Bezugsscheine u.a. Zum Bestand: Schreiberin/Adressatin: Helene J. (geb. P.); geb. 1888 in Brünn (Brno) in Tschechien, gest. 1962 in Wien
Übergeberin: Monika R. und Eva Maria R. (Enkelinnen von Helene J.), 2016
Helene Viktoria Maria J. (geb. P.) ist in Brünn (Brno) aufgewachsen. Ihr Vater Karl P. war Generalstaatsanwalt von Mähren und Schlesien. Nach seinem Tod besuchte Helene J. gemeinsam mit ihrer Schwester Marie P. (geb. P.) von 1902 bis 1904 die Fortbildungsschule der Englischen Fräulein in St. Pölten in Niederösterreich, später die Lehrerinnenbildungsanstalt in Brünn (1904-1908). 1910 erhielt sie die Lehrbefähigungsprüfung, 1915 schloss sie die Bürgerschulprüfung für die Fächer Deutsch, Geographie und Geschichte ab. Von 1908 bis Frühling 1945 war sie als Fachlehrerin an je zwei Volks- und Knabenbürgerschulen in Brünn/Brno tätig.
1921 heiratete Helene J. Dr. Jakob J. (1885-1945/46). Er war Gymnasiallehrer für Geschichte und Geografie. 1925 kam Tochter Helga J. (verh. R.) zur Welt. Das Paar trennte sich 1934 („Trennung von Tisch und Bett“), 1939 erfolgte die Scheidung, sie blieben aber immer im Kontakt. Tochter Helga R. studierte Welthandel in Wien und lebte hier bei der Familie Helene Jochims Schwester.
Während des Kriegsendes befand sich Helene J. gerade gemeinsam mit ihrer Tochter zur Erholung am Land. Sie wurden interniert und am 30. Mai 1945 aus Brno/Brünn ausgewiesen. Im Laufe des Früh-S.s 1945 kamen sie schließlich im Rahmen des so genannten „Brünner Todesmarsches“ nach Wien. Der Erzählung nach erlitt Jakob Joachim dabei einen Herzinfarkt und wurde zurück in die Wohnung gebracht, wo er verstarb. Tochter Helga R. hatte schon zuvor eine Ausreisebewilligung nach Wien erhalten, wo sie wegen ihres Studiums ja bereits gelebt hatte. Daher konnten sie und ihre Mutter sich von der Gruppe, mit der sie gemeinsam ausgewiesen wurden, absetzten. Viele dieser Menschen starben entsprechend der Erzählung in Lagern u.a. an Cholera.
Helene J. kam bei ihrer Schwester Marie P. im 12. Wiener Gemeindebezirk und dann bei ihrem Bruder Dr. Karl P. (geb. 1892) im 19. Bezirk unter und erhielt den Status als „DP“ („Displaced Person“). Ab 1948 lebte sie in der Weiglgasse im 15. Bezirk, 1954 übersiedelte sie nach St. Christophen in Niederösterreich.
Ihr Bruder Karl P. war ab 1942 bei Helene J. in Brünn wohnhaft gewesen. Ihre Schwester Marie P. war mit dem Juristen Robert Adam P. (geb. 1877) verheiratet, der die Position des Vizedirektors des Handelsgerichtes innehatte. In der NS-Zeit wurde er als „jüdisch“ verfolgt, durch die Ehe mit einer Katholikin und ihren gemeinsamen Sohn war Robert Adam P. der Lebensbedrohung entgehen, die Wohnung wurde aber von der Gestapo durchsucht.
Der schriftliche Nachlasses von Helene J. besteht zum Großteil aus ca. 100 amtliche Dokumente, die ihre Flucht und die „Einbürgerung“ in Österreich detailliert belegen.
Der zweite Teil sind Korrespondenzen. Vom Schriftverker mit ihrer Tochter Helga R. sind 142 Schreiben aus dem Zeitraum von Februar 1945 bis Juli 1962 erhalten. Die Schreiben sind in einem Heftordner abgelegt.
Aus der Korrespondenz mit ihrem Schwager Paul J. liegen 92 Schreiben vor, die sie und Helga R. zwischen März 1946 und Februar 1955 mit ihm gewechselt haben. Paul J. war in die USA emigriert und hat den Frauen in Wien jetzt auch zahlreiche Care-Pakete geschickt. Ihm gegenüber berichten sie von den Umständen ihrer Flucht und der aktuellen Situation in Wien. Ihre Seite ist durch Durchschläge oder Entwürfe belegt.
Ein zweiter umfangreicher Schriftverkehr von Helene J. und Helga R. ist mit Maria (Mimi) Z. erhalten. Davon liegen 53 Schreiben von Juli 1962 bis Dezember 1974 vor. Mimi Z. war eine Jugendfreundin von Helene J. und ebenfalls aus Brno ausgewiesen worden.
Daneben sind noch einzelnen Korrespondenzstücken mit weiteren Personen vorhanden.
Tagebücher und persönliche Quellen von Robert Adam P., dem Schwager von Helene J., sind in der Österreichischen Nationalbibliothek archiviert. |